1. Dichtung oder Wahrheit
Endlich ist das Geheimnis gelüftet und der gemeine Einwohner Aschheims versteht, warum der Bürgermeister unbedingt einen Schlachthof auf Gemeindegebiet angesiedelt haben will. Die Gewerbesteuer ist es! Wenn sich jetzt vielleicht mancher interessierte Bürger fragt, warum denn die Gewerbesteuer eines Schlachthofes der Gewerbesteuer aus anderen Branchen vorzuziehen sei, so hat er endlich eine Antwort. Wie der Bürgermeister bekanntgegeben hat, berechnet sich die Gewerbesteuer nämlich bei Schlachthöfen nach dem Umsatz und nicht – wie bei allen anderen Gewerbebetrieben – nach dem Gewinn. Dies ist natürlich äußerst praktisch, denn dann braucht man die Berechnungen der Investoren, die sicherlich eine glänzende Zukunft prognostizieren, nicht zu hinterfragen, Kosten spielen keine Rolle, ob der Betrieb Gewinn macht oder nicht, ist völlig irrelevant, und in welchem Lande gegebenenfalls steuerpflichtige Gewinne anfallen ist auch egal (es scheint sich schließlich dem Vernehmen nach um eine internationale Investorengruppe zu handeln).
Dieser innovative Ansatz ist absolut überzeugend. Erstaunlich an der Sache ist zwar, dass bisher noch kein anderer Bürgermeister darauf gekommen ist. Aber – sind wir froh darüber, sonst hätte uns diese lukrative Einnahmequelle vielleicht eine andere Gemeinde noch vor der Nase weggeschnappt.
Spaß beiseite – Umsatz und Gewerbesteuer haben so viel miteinander zu tun wie ein Elefant mit dem Schlachthof. Ein Betrieb muss grundsätzlich immer noch Gewinn machen, damit Gewerbesteuer anfällt. Bekanntermaßen handelt es sich aber bei der Fleischindustrie um eine Branche mit sehr niedrigen Margen, in der schon geringste Preisschwankungen über Gewinn oder Verlust entscheiden können. Auch die hohen Abschreibungen aus den enormen Investitionen müssen erst einmal verdient werden. Anlaufverluste wären bei einem neuen Betrieb nur normal. Große Gewinnerwartungen und hohe Gewerbesteuereinnahmen wird man sich wohl auch auf lange Sicht aus dem Kopf schlagen müssen. Das schwächste Argument, das für die Ansiedelung eines Schlachthofes sprechen könnte, ist dementsprechend die zu erwartende Gewerbesteuer. Und andere positive Effekte für die Gemeinde sind weit und breit nicht in Sicht.
Dies müsste eigentlich dem Bürgermeister einer Gemeinde wie Aschheim klar sein. Warum suggeriert er dann aber einen derartig irreführenden Zusammenhang? Fehlt an dieser Stelle die Kenntnis über Wirtschaft und Steuern, den Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Hat er sich wirklich über die wirtschaftliche Situation der Fleischindustrie und deren Gepflogenheiten informiert? Ist er sich der Risiken, denen er die Gemeinde und ihre Bürger aussetzt, überhaupt bewusst? Oder sollen die Bürger gar zu Fehlinterpretationen verleitet werden, damit sie Ruhe geben und der Deal durchgezogen werden kann?
Fazit: 1. Nicht alles, was von offizieller Seite erzählt wird, muss wahr und richtig sein.
2. Gewerbesteuereinnahmen sind das einzige(!) Argument für den Schlachthof. Was bleibt noch, wenn man sich da verrechnet hat?
2. Was steckt dahinter und warum ist alles so geheim?
Bürgermeister Glashauser spricht davon, „auf Transparenz zu setzen“, nennt aber gleichzeitig nicht Ross und Reiter. Es ist nur vom „Hauptinvestor“ Opus Munich GmbH & Co. KG, hinter dem der Fleischhändler Oppenheim aus NRW stehe, die Rede. Wer sind die anderen Investoren?
Kein anonymer Konzern stehe hinter dem Vorhaben, vielmehr würden Handelsbetriebe aus der Region nach Aschheim kommen. Auch die Schlachttiere würden aus Bayern kommen. Dies sind alles Behauptungen, die nirgends mit detaillierten Informationen unterlegt werden. Fragwürdig wird die Darstellung insbesondere dadurch, dass nach eigener Aussage die Gemeinde selbst bis vor einigen Wochen auch noch keine weiteren Informationen über die Planungen „des Investors“ hatte. Und wenn sie vorliegen würden, dürfe man sie angeblich nicht veröffentlichen. Kann es sein, dass so weitreichende Entscheidungen durch den Gemeinderat getroffen werden, ohne dass genügend Informationen vorliegen? Warum darf über das Projekt nicht gesprochen werden, wenn es denn so lukrativ und vorteilhaft für die Gemeinde ist?
Ein Blick in das Handelsregister scheint etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Neben Albert Harry Oppenheim ist als zweiter Geschäftsführer der Oppenheim & Co. Real Estate Gesellschaft m.b.H, die Gesellschafterin des Investors Opus Munich GmbH & Co. KG ist, eingetragen: John Roland Pickstock, Shropshire, UK. Wer ist das? Wieso sitzt der Geschäftsführer des Aschheimer Investors in Großbritannien?
In Shropshire, UK, sitzt ein Unternehmen mit dem Namen Pickstock Telford Ltd., das u.a. in der Immobilien- und Fleischverarbeitungsbranche tätig ist. Recherchen haben ergeben, dass im Jahr 2014 der jüngste und modernste Schlachthof und Fleischverarbeitungsbetrieb in Großbritannien von ebendiesem Unternehmen eröffnet wurde. Der Konzern scheint auf Expansion ausgerichtet zu sein und sich unter anderem zum Ziel gesetzt zu haben, China als Fleischabsatzmarkt zu erschließen.
Kann die Namens- und Adressengleichheit Zufall sein? Oder ist es vielleicht so, dass Pickstock „der Investor“ ist oder zumindest Teil einer Investorengruppe? Wenn dem so wäre, warum bleibt das geheim? Hätte das dann vielleicht damit zu tun, dass Pickstock auch ganz groß im Immobiliengeschäft und in der Baubranche ist? Gibt es einen Zusammenhang zwischen jenem Investor, der am Areal des Münchner Schlachthofs interessiert ist und diesem, der in Aschheim den Schlachthof bauen will?
Honi soit qui mal y pense…